Tierkommunikation

‘Tierkommunikation’ – Erfüllter Traum oder Schwindel?

 

Telepathische Kontakte mit Tieren – Von jeher ein Menschheitstraum, bislang aber eher Thema für Hollywoodfilme und Fantasy-Literatur als ernsthafte Form der Kommunikation.

Neuerdings bieten allerdings ‚Tiertelepathen’ aus den USA wohlfeile ‚Übersetzerdienste’ und auch hierzulande boomt der „Beruf“ des „Tierkommunikatoren“ . Angeblich funktioniert das per Telefon: Anruf genügt, Bezahlung per Kreditkarte.

Auch Telepathie-Kurse zum besseren Verständnis von Hund, Pferd und Hamster erfreuen sich immer größerer Beliebtheit – wobei sich hier die Geister scheiden: Der eine spricht von ‚seltener Sonderbegabung’ der Kommunikatoren, der nächste behauptet, Telepathie sei für jeden erlernbar. Christiane Gohl geht der Sache nüchtern auf den Grund.

 

Auszug aus einer Anfrage im Internet:

„Die Stute meiner  Freundin hat  im letzten Jahr gefohlt. Nun wurde das Fohlen abgesetzt, es soll demnächst kastriert werden. Die Stute steht für ein paar Wochen in der Box, um trockengestellt und wieder auftrainiert zu werden. Da scheint sie aber sehr unglücklich zu sein. Sie wirkt traurig und hat zudem auch noch angefangen, sich massiv am Schweif zu scheuern. Stellenweise ist der schon ganz kahl. Meine Freundin hat nun eine amerikanische Tierkommunikatorin eingeschaltet. Die hat sich angeblich telepathisch mit dem Pferd in Verbindung gesetzt und dabei herausgefunden, dass sich die Stute schwere Sorgen um ihr Fohlen macht. Sie möchte nicht, dass es kastriert wird. Um ihre Besitzerin für dieses Ansinnen zu bestrafen, scheuert sie sich und vermindert damit ihre Schönheit und ihren Wert. Die Tierkommunikatorin hat nun angeboten, hierher zu kommen und direkt mit der Stute zu reden. Gegen Übernahme aller Kosten natürlich. Meine Freundin bittet mich, ihr das Geld dafür zu leihen. Aber ich bin unsicher ... ich halte das für Schwindel ...“

Man mag diesen Brief und die darin geschilderte Geschichte komisch finden. Aber wer etwas weiter denkt, dem bleibt das Lachen im Halse stecken. Sind da doch ein Pferd, das mit einer unbehandelten Pilz- oder Ekzemerkrankung in einer Box steht; ein Fohlen, das vielleicht in Einsamkeit aufwachsen wird, weil seine Besitzerin nicht wagt, es zu kastrieren, aber auch keine adäquaten Möglichkeiten zur Hengstaufzucht hat; ein Mensch, der bereit ist, sich für die kostenlose Europareise einer Betrügerin zu verschulden - und nicht zuletzt eine Freundschaft, die darüber vielleicht in die Brüche geht. Die Bemerkung ‚Selber Schuld’ ist leicht gemacht, wenn jemand auf eine solche Geschichte hereinfällt. Aber sind wir selbst wirklich so sicher vor derartigen Entgleisungen? Könnte nicht jeder von uns nach dem Strohhalm greifen, wenn z. B. ein Tier krank oder verhaltensgestört ist, und ein ‚Tierkommunikator’ Lösungen verspricht? Steckt die Frage ‚Ist nicht vielleicht doch was dran???’ nicht auch irgendwo in unserem Kopf? Auf jeden Fall lohnt es sich, der Sache ein paar mehr Überlegungen zu widmen als einen raschen Lacher.

 

Gedankliche Kommunikation

Stellen wir uns dazu zunächst die Frage, worum es hier eigentlich geht. Was ‚Tierkommunikatoren’ versprechen, ist Telepathie, das bedeutet, Vermittlung von Nachrichten über rein geistige Kanäle. Telepathie ist sozusagen die ‚Hohe Schule’ der Empathie, bei welcher der ‚Empfänger’ nur die Gefühle des ‚Senders’ teilt. Zur Empathie ist mehr oder weniger jeder fähig, wobei man sich streiten kann, ob hier wirklich ‚mitgefühlt’ wird, ob der Empfänger also tatsächlich Schwingungen des Senders aufnimmt, oder ob er nur  Erinnerungen an eigene Empfindungen in ähnlichen Situationen auf den Sender überträgt. Im Normalfall wird sich wahrscheinlich beides zu einem Gefühl verbinden. Und im Allgemeinen pflegt man Mitgefühl auch nicht zu analysieren – Empathie ist Teil unseres Alltags mit Mensch und oft auch Tier. Hier ergibt sie sich aus einer Mischung zwischen Mitgefühl, Beobachtung und Erfahrung.

Anders ist es mit der Telepathie. Dabei werden wie gesagt Botschaften vermittelt, es geht um eine Art geistige SMS. Nüchtern gesehen müssten sich dabei die gleichen Probleme ergeben wie bei der getippten Botschaft: Nicht nur die Fähigkeit zum Abschicken und Abrufen der Nachricht sollte über Erhalt und Verständnis entscheiden, sondern z. B. auch die Sprache, in der die Botschaft verfasst ist. Bei Tieren, die der menschlichen Sprache nicht mächtig sind, ist dies schon das erste Problem. Nun könnte man es theoretisch umgehen, indem man einen Film übermittelt. Manche Telepathen erklären denn auch, dass sie praktisch ‚durch die Augen des Senders’ sehen. Manchmal erscheint weiterhin eine Gefühlsübermittlung wie Telepathie, einfach weil der Empfänger sie richtig deutet. Die Gestaltung und Sendung eines gesamten (Stumm)Filmes zur Übermittlung der Nachricht ‚Ich scheuere meinen Schweif um mein Frauchen zu ärgern, weil es mein Fohlen kastrieren will’ erforderte allerdings beträchtliche dramaturgische Fähigkeiten. Selbst wenn wir annehmen, dass ein Tier zu solch komplizierten Gedankengängen fähig wäre – wenn es sich obendrein als Regisseur betätigt, ist doch Skepsis angesagt.

 

Gibt es die Sache überhaupt?

Telepathie und Empathie gehören zu den sogenannten Paranormalen Phänomenen (PSI-Phänomenen). Wenn man von ein paar exzentrischen Britischen Geistersuchern absieht, begann ihre systematische Erforschung gegen Mitte des 20sten Jahrhunderts. Die zuständige Wissenschaft ist die Parapsychologie, erste Forschungen dazu leistete Professor J. B. Rhine in den USA. Von ihm stammen auch die berühmten Symbolkarten zur Durchführung wissenschaftlich überwachter Experimente. In den deutschsprachigen Ländern scharten sich die Interessenten ursprünglich um den in Freiburg tätigen Professor Bender. Dort gibt es auch heute noch eine parapsychologische Fakultät. Während die zivile Forschung die Parapsychologie aber stets eher als Randdisziplin ansah und mit leichtem Augenzwinkern betrachtete, fand sie in den Jahren des Kalten Krieges massive Beachtung in Kreisen des Militärs. Wäre es doch zu schön gewesen, hätte man Konferenzen des Gegners mittels Telepathie belauschen oder die Pläne des Widersachers direkt seinem Kopf entnehmen können! Besonders die Sowjetunion intensivierte damals ihre Forschungen – allerdings ohne nennenswerte Erfolge. Weder im Bereich des Geheimdienstes noch der Polizei (Aufspürung von Entführungsopfern!) konnten Telepathen wirklich verwertbare Dienste leisten. Zwar ergaben die Forschungen der Parapsychologen durchaus Ergebnisse oberhalb des Zufallsfaktors, aber selbst bei simplen Versuchsanordnungen (Erraten des Symbols auf einer Karte, die der Sender sich ansieht) kam selbst der begabteste Empfänger nie auf eine Erfolgsquote von 100 Prozent. Wirklich spektakuläre Phänomene ergeben sich praktisch immer spontan und sind entsprechend selten eindeutig belegt. Anders gesagt: Sicher gibt es PSI-Phänomene, aber sie sind so wenig planbar wie das Nordseewetter in einem Jahr!

 

Tierkommunikation

Angesichts dieser Erkenntnisse ist es eher unwahrscheinlich, dass sich in den letzten Jahren wirklich ein derartiger ‚Quantensprung’ in den menschlichen PSI-Genen ergeben haben sollte, dass ‚Tierkommunikation’ der oben genannten Art möglich wäre. Falls doch, so ließe sich das Ganze relativ leicht verifizieren – wenn die ‚Tierkommunikatoren’ denn ernsthaftes Interesse daran hätten. Eine denkbare Versuchsanordnung wäre z.B. eine Zusammenarbeit mit Tierkliniken. Wenn eine Tierkommunikatorin bei fünfzig lahmenden Pferden mit 100 prozentiger Sicherheit betroffenes Bein und Sitz des Schmerzes nennen könnte – unter kontrollierten Bedingungen natürlich, ohne das Pferd zu sehen und ohne den Besitzer zu kennen oder gar mit ihm zu kommunizieren! - wäre das eine Sensation, die unzweifelhaft durch die Weltpresse ginge. Die Dame hätte Werbung fürs Leben, mal ganz abgesehen davon, dass sie ihre Fähigkeiten auch noch deutlich gewinnbringender einsetzen könnte, als mit Freizeitreiterberatung. Die CIA z. B. würde ihr die entsprechenden ‚Begabungen’ sofort vergolden, wenn sie etwa bereit wäre, in Terroristenhauptquartieren ‚Mäuschen’ zu spielen. Kurse zur ‚Tiertelepathie’ arbeiten regelmäßig mit Meerschweinchen. Warum also keine Kommunikation mit Nagern (oder gar Insekten) in observierten Häusern? Denkt man die Sache weiter, so wird die Beschäftigung mit ‚Tierkommunikation’ unweigerlich zur Satire! Hören wir also damit auf und beschäftigen wir uns lieber mit den Opfern der Hochstapelei.

Was bewegt Menschen dazu, ‚Tierkommunikatoren’ einzuschalten und ihnen auch die hanebüchensten Behauptungen zu glauben?

 

Die logische Folge 

Kommunikation mit Tieren ist an sich nichts Neues. Jede verstandene Hilfe beim Reiten, jedes erfolgreiche Heranrufen eines Hundes oder einer Katze ist Kommunikation. Es ist auch keineswegs neu, dass man sich zur Verständigung mit dem Tier zumindest zu Beginn des Trainings dessen eigene Kommunikationsformen zueigen macht. Jeder Hilfenkanon beim Reiten beruht auf einer Kombination von menschlicher und pferdiger Körpersprache. Bis vor wenigen Jahrzehnten machte sich darüber allerdings kaum jemand Gedanken. Man tat es einfach, weil man es von seinen Lehrern übernahm und weil es funktionierte. Je nach Trainer und Lehrer wurde dabei mehr oder weniger Gewalt angewandt – die Vorstellung, Körpersprache sei grundsätzlich gewaltfrei, ist irrig. Auch ein Kinnhaken ist letztlich nichts anderes als eine körpersprachliche Äußerung von Missfallen. Im Zuge modernerer Ausbildungsmethoden, nicht zuletzt im Rahmen der Freizeitreiterbewegung, bemühte man sich dann aber zusehends um Gewaltlosigkeit in der Ausbildung und analysierte dazu die körpersprachlichen Zeichen, die tatsächlich oder anscheinend friedlicher Kommunikation dienen. ‚Anscheinend’ deshalb, weil ‚gewaltfrei’ längst nicht gleichbedeutend mit ‚friedlich’ oder gar ‚herrschaftsfrei’ sein muss. Auch Erpressung und Nötigung funktionieren ohne Kinnhaken, sind allerdings ebenso unangenehm.

Auf jeden Fall boomte plötzlich die verfeinerte Kommunikation zwischen Mensch und Pferd – und auch in der Hundeausbildung werden inzwischen sensiblere Ausbildungsmethoden angewandt als die Konditionierung auf „Pfui!“, „Aus!“ und „Platz!“. Diese Entwicklung hatte ihren Ursprung u. a. in der veränderten Einstellung zum Vierbeiner. Das Tier war vom ‚Nutztier’ zum ‚Sportpartner’ geworden, dann zum ‚Freizeitpartner’ (an den weniger ehrgeizige Ansprüche gestellt werden) und darüber nur allzu oft zum ‚Partnerersatz’. In der modernen Welt hapert es oft an der Fähigkeit oder den Möglichkeiten zu menschlichen Bindungen. Partnerschaften erweisen sich selten als geeignet ‚fürs Leben’, Ansprüche und Wirklichkeit klaffen auseinander, Familienverbände sind nicht mehr belastbar. Kein Wunder, dass da manche/r seine Gefühle lieber auf das bequem erreichbare Haustier konzentriert als sich auf einen anstrengenden, menschlichen Partner einzulassen. Mit diesem „Alternativ-Partner“ möchten wir nun aber ausführlicher kommunizieren als mit dem ‚Sportgerät Pferd’ oder dem „Nutztier Wachhund“. Statt die Frage ‚Springen wir jetzt dieses Hindernis oder nicht?’ sollen auch Befindlichkeiten, Wünsche und Stimmungen ‚diskutiert’ werden. Traditionelle Ausbildungsmethoden helfen hier nicht weiter. Kommunikationswillige Reiter stürzten sich insofern auf die Methoden der ‚Pferdeflüsterer’, erkannten aber meist schnell, dass hier letztlich auch nicht mehr vermittelt wird als simpelste Hilfengebung. Auch Hundevereine wurden dem neuen Trend nicht unbedingt gerecht. Konzentrieren sich die Ausbildungsangebote hier doch hauptsächlich auf die nunmal von Dominanz geprägte Beziehung zwischen Hund und Frauchen. Im Klartext: „Wie halte ich den Hund vom Sofa?“ Die Vorstellung, ihn eben da hinauf zu bitten, um bei Kaffee und Hundekuchen ein intimes Gespräch zu führen, blieb den meisten Trainern wesensfremd.

In die Bresche springt die ‚Tierkommunikation’. Hier kann angeblich in ganzen Sätzen und im eigenen Idiom alles das mit Bubi und Susi erörtert werden, was man der besten Freundin nicht anvertraut. Entsprechend gut gefüllt sind Telepathiekurse. Und es sind sicher nicht die glücklichsten und ausgeglichensten Menschen, die hier um einen Meerschweinchenkäfig herumsitzen und zu ergründen versuchen, was sich der Nager so denkt.

 

Übersetzungen

Wenn wir Menschen körpersprachliche Aussagen von Tieren wiedergeben wollen, so ‚übersetzen’ wir sie in aller Regel in Worte aus unserer Sprache. Das kann recht unterhaltsam sein. Schon Henry Blake, der in den siebziger Jahren ein ‚Lexikon der Pferdesprache’ zusammenstellte, bediente sich dazu teilweise blumiger Formulierungen. So übersetzte er z. B. das Scharren und Wiehern hungriger Pferde in „Wo zum Kuckuck bleibt mein Frühstück?“ und das mehr oder weniger unwillige Quietschen mehr oder weniger paarungswilliger Stuten mit „Hau ab hier, wir sind lauter anständige Mädchen!“. Das brachte Verhaltensforschung populärwissenschaft an den Leser und trug dazu bei, dass man sich die entsprechenden Gesten und ihre Bedeutung leichter merken konnte. Selbstverständlich unterstellte Blake, ein erfahrener Pferdemann und Sportreiter, den Stuten damit aber keine menschlichen Moralvorstellungen.

Moderne ‚Tierkommunikatoren’ sind da weniger pingelig. Aussagen der Sorte „Sie ist sauer, weil sie die Fütterung als ungerecht empfindet, ihr Boxnachbar bekommt immer die größere Möhrenportion“ sind hier nicht selten und lassen Außenstehende immer wieder den Kopf schütteln. Selbst solch offensichtlicher Unsinn wird aber gern geglaubt, denn er befriedigt ein Bedürfnis, das uns Menschen oft nicht bewusst ist: Den dringenden Wunsch, andere Lebewesen ‚nach dem eigenen Bilde’ zu sehen und zu formen.

 

Vermenschlichung

Jedes Lebewesen ist durch seinen Lebensraum, seine Sinne (eher visuell oder hör- bzw. geruchsorientiert), seine Gliedmaßen (Arme oder Flügel? Zweibeiner, Vierbeiner oder gar Schlange?), sein Nahrungsbedürfnis (Fleischfresser, Aasfresser, Pflanzenfresser?) und viele andere Faktoren auf eine bestimmte ‚Denkweise’ und ‚Weltsicht’ programmiert. Aufgrund dieser Denkstrukturen interpretiert es auch das Verhalten andersartiger Lebewesen, schließt also zumindest zunächst von sich auf andere. Das Nasentier Hund z. B. wird immer erwarten, dass sich auch Herrchen an dem wunderschönen Aas-Geruch freut, den es sich eben ins Fell gewälzt hat. Eine Katze wird nie nachvollziehen können, wie es sich anfühlt, wenn man Mitglied eines Rudels ist – und wenn Mensch im Science-Fiction-Film einen Alien kreiert, dann benimmt der sich garantiert genau wie ein (meist eher unsympathischer) Vertreter der Gattung ‚Mensch’.

Nun sind zumindest Säugetiere lernfähig, und je länger sie mit andersartigen Wesen zusammenleben, desto eher können sie deren Verhalten einschätzen und richtig interpretieren. Wir Menschen sind hier im Vorteil, denn wir brauchen uns nicht allein auf unsere Erfahrung und Beobachtung zu verlassen, sondern können Bücher lesen oder Filme über Verhaltensforschung anschauen. Das sollte uns helfen, Pferde als Pferde und Hunde als Hunde zu akzeptieren – wenn wir denn wirklich wollten! Leider ist das selten der Fall, weshalb wir denn auch lieber vor dem Fernseher sitzen, wenn ‚Kommissar Rex’ seine Fälle löst oder Black Beauty wieder mal heim findet, statt Schäfer oder Trumler zu lesen. Insbesondere wer das Tier als Ersatzpartner oder Ersatzkind sieht, wünscht es sich menschlich – und genau dieses Bedürfnis bedient die ‚Tierkommunikation’ mit Statements der Sorte „Er schnappt beim Aufsatteln, weil er seine blaue Satteldecke nicht mag. Er hätte lieber eine grüne gehabt.“ 

Der Tierkommunikator beweist damit natürlich nicht nur eine lebhafte Phantasie, sondern obendrein profunden Mangel an Information über Pferde, ihr Verhalten und ihre Probleme. Mit seinen offensichtlich falschen Ratschlägen – die Farbe der Schabracke hatte noch nie irgendwelchen Einfluss auf Sattelzwang ! – schadet er Pferd und Reiter, verschlechtert ihre Beziehung also eher, als sie zu verbessern. Es tut keinem Tier gut, es zu vermenschlichen, und der Besitzer erweist sich damit auch nicht als ‚Tierfreund’, sondern nur als ‚Nutzer’ des Pferdes. Ob ich meinem Ego schmeichele, indem ich ein Pferd zwinge, über Hürden zu springen, oder es in die Rolle meines Psychotherapeuten zwänge - moralisch gesehen ist da kaum ein Unterschied!

 

Mensch und Tier

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es hat immer Menschen gegeben, die die Gesellschaft von Tieren denen ihrer eigenen Artgenossen vorzogen. Viele Pferdehalter/innen gehen z. B. bewusst lieber mit ihren Vierbeinern um, statt Kinder zu erziehen, und bleiben lieber ohne Partner, sofern sie niemanden finden, der ihre Pferdeleidenschaft teilt. Für diese Menschen ist das Tier aber kein ‚Ersatz’, den sie liebend gern gegen ein Original eintauschen würden, sondern genau der Partner, den sie sich wünschen. Man könnte darüber spekulieren, ob das vielleicht gerade bei starken Empathien  und Telepathen der Fall ist, die das wortlose, sehr gradlinige Denken und Fühlen der Tiere dem ständigen Abschirmen gegenüber komplizierten menschlichen Gedanken und Empfindungen vorziehen. Möglicherweise wurden Frauen, die ihr Bett lieber mit einem Kater als mit einem Mann teilten, auch deshalb häufig als Hexe verbrannt, weil sie im Alltag durch PSI-Talente auffielen. Heute stört soetwas zum Glück niemanden mehr, jeder darf nach eigener Fasson selig werden, und zufriedene ‚Tiermenschen’ sind auch ganz sicher nicht ‚therapiebedürftig’. Wer das Pferd oder ein anderes Tier jedoch vermenschlicht, wer es nur als Ersatz für den Wunschpartner, das Wunschkind, die Wunschfreundin sieht, bei dem läuft etwas schief. Wie viele Tiertelepathen er auch immer konsultiert, das Tier kann seine Bedürfnisse nicht befriedigen. Seine Unzufriedenheit macht ihn nur anfällig für ‚Gurus’ und Betrüger aller Art.

Dazu noch einmal ein Zitat von ‚Pferdesprachkundler’ Henry Blake:

„Denken Sie wie ein Pferd, aber statten Sie das Pferd nicht mit menschlichen Eigenschaften, Gefühlen und Reaktionen aus. Es ist kein Mensch - zum Glück für das Pferd!“   

 

PSI im Alltag

Ein regnerischer, nasskalter Tag. Eine Reiterin kommt  von einem Ausritt zurück, wobei ihr beim Einreiten auf den Hof folgender Gedanke durch den Kopf schießt: „Eigentlich Kolikwetter. Hoffentlich erwischt es keins von unseren Pferden.“ Zwei Minuten später kommt sie bei den Ställen an und findet dort ein Fohlen mit Bauchschmerzen!

Was ist hier passiert? Telepathie - Hat das Fohlen ihr die Botschaft von seiner Erkrankung ‚gesendet’? Empathie – Hat sie sein Unwohlsein ‚mitgefühlt’? Oder einfach nur Zufall? Ein gläubiger PSI-Anhänger würde die Sache sicher als ‚Treffer’ verbuchen. Es wäre ja auch leicht, bei der Schilderung des Vorfalls die Sache mit dem Wetter wegzulassen – und schon wird eine naheliegende Überlegung zur ‚Eingebung’.

Andere kleine Alltagserlebnisse sind nicht so leicht zu erklären:

Eine Hundebesitzerin wird überraschend schnell mit der Arbeit fertig und  überlegt nun, ob sie etwas Neues anfängt oder lieber einen langen Spaziergang mit Bello macht. Bevor sie den Computer noch ausschalten kann,  steht der Hund  schon schwanzwedelnd neben ihr und hält die Leine im Maul!

Was liegt hier vor? Telepathie – Hat Bello die Nachricht empfangen? Empathie – Hat er das Gefühl der Erleichterung ‚Ach, prima, so schnell fertig, da kann ich ein bisschen die Sonne genießen!’ aufgeschnappt und richtig interpretiert? Oder einfach Sensibilität – Hat die Frau Blicke zum Fenster geworfen um das Wetter zu checken oder gar Bello überlegend angesehen und ihm damit signalisiert, dass sie etwas mit ihm unternehmen will?

Es gelingt nur sehr selten, PSI-Phänomene im Alltag wirklich klar zu erkennen und zu analysieren. Die meisten Tierhalter sind überzeugt davon, dass es sie gibt, aber sie basteln nicht ständig an Versuchsanordnungen herum, um die Sache zu verifizieren. Im Prinzip ist das auch nicht nötig – zwischen Mensch und Mensch nehmen wir Empathie und ‚seltsame Zufälle’ („Ich weiß oft schon beim Telefonklingeln, wer in der Leitung ist!“) schließlich ebenfalls einfach hin. Mehr oder weniger häufige, geistige Übereinstimmung, teilen von Glücksgefühlen, Zufriedenheit – aber auch negativen Stimmungen – sprechen auf jeden Fall für eine gute Beziehung zwischen Mensch und Tier. Egal ob wir es ‚PSI-Phänomen’ oder einfach ‚Harmonie’ nennen.

 

Alles Schwindler?

Ob es PSI gibt oder nicht – ‚Tierkommunikatoren’ der im Text zitierten Art haben sicher keinen telepathischen Kontakt zu den Pferden ihrer Kunden. Aber sind sie nun tatsächlich alle Schwindler und bewusste Hochstapler? Oft erscheint das unwahrscheinlich, begegnen sie uns doch häufig als eher unbedarfte, mitunter sehr ‚mütterliche’ und betuliche Typen, denen man Betrügereien kaum zutraut. Auch die vermittelten ‚Botschaften’ sprechen häufig gegen einen Profi-Hochstapler, beweisen sie doch mitunter extreme Naivität und Unkenntnis. Bei einem bewussten Betrüger sollte man ein Minimum an Vorbereitung, z. B. die Lektüre wenigstens eines Buches über Pferdeverhalten, voraussetzen. Insofern kann man durchaus davon ausgehen, dass zumindest ein Teil der ‚Tierkommunikatoren’ wirklich an ihre besonderen Talente glaubt. Das ist nicht selten, sondern auch auf anderen, meist künstlerischen Gebieten verbreitet. Denken Sie nur an die Tausende von Menschen, die in jedes Gesangs-Casting strömen! Gerade im Grenzbereich zur Kunst sind Erfolgs- und Misserfolgserlebnisse auch nicht immer klar begabungsabhängig: Selbstverfasste Gedichte z. B. werden praktisch immer gelobt, egal, ob das Versmaß stimmt. Und die ‚blinde’ Diagnose der Tierkommunikatorin trifft auch sehr häufig auf ein zustimmendes ‚Ja, das hatte ich auch schon überlegt ...’ des Tierhalters. Schließlich erfolgt sie praktisch immer im Anschluss an ein langes Gespräch zwischen Halter und ‚Kommunikator’. Ein guter Zuhörer schnappt dabei unweigerlich auf, was der Tierbesitzer hören möchte und verarbeitet das mehr oder weniger unbewusst in der ‚Botschaft’ des Tieres. Beide Teile bestärken sich damit untereinander: Der Halter bekommt ein positives Feedback – Seine ihm vielleicht gar nicht voll bewussten Vermutungen bestätigen sich – und der ‚Kommunikator’ kann einen weiteren ‚Treffer’ verbuchen. Dabei wächst sein Selbstbewusstsein bei jeder erfolgreichen ‚Beratung’. Er wird immer sicherer auftreten und immer unbeschwerter an die Sache herangehen – was seinen Geist wieder vermehrt für die Wünsche des Tierhalters öffnet. Wer entspannt ist, nimmt Untertöne eines Gesprächs besser wahr. Das Pferd (die Katze, der Hund) hat mit all diesen Interaktionen natürlich gar nichts zu tun. Ihm wäre es durchweg lieber, das Honorar des Kommunikators würde in Möhren (Kittekat, Chappy) umgesetzt!

 

Mehr oder weniger ‚begabt’?

„Marion ist ein netter Mensch – aber für Tiere hat sie einfach kein Gespür!“ – Zwei Freizeitreiterinnen im Plausch über eine dritte. Ihr Urteil ist hart, bestätigt sich im Alltag aber immer wieder: Marion hat schon das vierte Pferd und den dritten Hund, besucht einen Reitkurs nach dem anderen, aber jeder ihrer Vierbeiner  entwickelt ‚Macken’: Marion wird häufiger heruntergebuckelt, selbst von ihrem Border Collie gebissen und kann sich ‚nicht durchsetzen’, obwohl sie schon drei Roundpen-Seminare hinter sich hat und auf dem Hundeplatz regelmäßiger Gast ist.

Ganz im Gegensatz dazu Anja: Anja hat zwei linke Hände, fummelt meistens nur mit einem Strick herum, weil sie das Halfter mal wieder verlegt hat. Ihre Bodenarbeitserfahrung beschränkt sich auf zwei TTeam-Kurse, aber wie der Ttouch so ganz richtig geht, hat sie immer noch nicht raus. Dafür setzt sich aber ihr Pferd begeistert in Bewegung, wenn Anja nur ruft, macht jedes Putzen zu einer genüsslichen ‚Schmusestunde’, lässt sich mit und ohne Sattel reiten und kann sogar Zirkuskunststücke, obwohl Anja sich dabei pausenlos in der Führungslonge verheddert. Überflüssig zu sagen, dass Anja stets eine Meute eigener und fremder Hunde um sich hat und dass sich auch Marions Tiere  bei ihr gleich in Lämmchen verwandeln – Sie hat einfach ‚Feeling’, und wäre sie obendrein körperlich geschickt und bereit zur Selbstvermarktung, so könnte sie als ‚Pferdeflüsterin’ Karriere machen.

Unzweifelhaft erlebt mancher Tierhalter mehr, mancher weniger kleine PSI-Phänomene im Alltag. Alle bisherigen Forschungen der Parapsychologie ergaben, dass Erfolge hier stark von Begabung abhängig sind. Im Pferdebereich – und natürlich auch in der Hundeausbildung - spielt dazu Übung eine nicht unwichtige Rolle. Wer Techniken wie TTEAM oder die Roundpenmethode beherrscht, kann sie mittels ‚Feeling’ unterstützen und erfolgreicher einsetzen. Bringt man dagegen nur ‚Feeling’ mit, fuchtelt dem Pferd aber ungeschickt mit dem Halfter vor dem Gesicht herum oder reitet einfach technisch mangelhaft, so nutzt das Talent wenig. Man könnte es vielleicht mit musikalischer Begabung vergleichen: Auch ein Mozart wäre nicht weit gekommen, hätte man ihm nie ein Instrument zur Verfügung gestellt.

Hinzu kommt, dass Selbst- und Fremdeinschätzung bei PSI-Begabung oft weit auseinander klaffen. Marion z. B. bietet Besitzern von Problempferden gern großzügig Hilfe bei der Korrektur an – schließlich hat sie schon so viele Kurse besucht! Dass ihre eigenen Tiere nie ‚funktionieren, führt sie auf unglückliche Zufälle zurück.

Menschen, die nie ‚Feeling’ hatten, können seinen Stellenwert, seine Möglichkeiten und Grenzen nicht beurteilen. Interessanterweise neigen gerade sie dazu, an PSI-Phänomene zu glauben, ihre Einsatzmöglichkeiten aber weit zu überschätzen. Insofern fallen sie besonders leicht auf ‚Tierkommunikatoren’ herein und belegen erheblich häufiger ‚Telepathiekurse’ als Typen wie Anja. Mozart brauchte schließlich auch keinen Grundlagenkurs ‚Rhythmus und Takt’.

Nun soll hiermit nicht gesagt sein, dass sich Reiterinnen wie Marion einen anderen Sport suchen sollten! Auch wer wenig ‚Feeling’ hat, kann das Reiten erlernen und Freude mit Pferden haben – er sollte sich nur nicht auf die Arbeit mit jungen oder schwierigen Tieren kaprizieren. Ein erwachsenes, ausgeglichenes Reitpferd, dazu regelmäßige Reitstunden ohne esoterischen Firlefanz – Wenn Marion sich erst mal entspannt und ihrem Pferd vertraut, wird sich vielleicht sogar etwas ‚Feeling’ einstellen. Und was den Hund angeht: Bei Typen wie Marion besser Entlebucher als Border Collie und um Himmels Willen besser Pudel als Mastiff!   

 

 

 

 

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